#Stop Hate – Gemeinsam gegen Hass

Am gestrigen (18. Juni) „Internationalen Tag für die Bekämpfung von Hetze“ der Vereinten Nationen kamen auf Einladung der Jugendstiftung und der Meldestelle Respect! rund 100 Menschen in Ulm zum Fachtag #StopHate gemeinsam gegen Hass zusammen. „Der Ton ist im Internet rauer und unversöhnlicher geworden“, findet Martin Ansbacher, Oberbürgermeister von Ulm in seiner Begrüßungsrede. „Und nicht nur dort – gerade politisch Engagierte, Journalistinnen und Journalisten sowie Geflüchtete sind immer stärker von verbaler und körperlicher Gewalt betroffen.“ Sich bei Hassrede auf die Meinungsfreiheit zu berufen, ist aus seiner Sicht inakzeptabel. Auch die Zahlen der Meldestelle REspect! der Jugendstiftung  zeigen die Dimension des Problems und machen gleichzeitig deutlich, dass immer mehr Menschen Hetze im Netz nicht unwidersprochen lassen: Bereits im laufenden Jahr gab es 11.500 Meldungen. „Bei Straftaten haben wir eine Erfolgsquote von mehr als 80 Prozent“, berichtet Ahmed Gaafar, Leiter der Meldestelle. „Das zeigt deutlich: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und wir alle tragen die Verantwortung, dazu etwas beizutragen.“ Der heutige Tag sei dafür da, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und neue Strategie gegen Hass im Netz zu lernen.

Anzeigen ist wichtig für den Schutz unserer Demokratie

Prof. Dr. Birgit Locher-Finke, Ministerialdirigentin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, hebt die Pionierarbeit der Meldestelle hervor. „Die Jugendstiftung hat das Problem mit Hate Speech früh erkannt“. Eine Bekämpfung von Hassrede sei auch deshalb von großer Bedeutung, weil das Internet z.T. physische Begegnungen abgelöst habe. Daher bedrohe auch digitaler Hass den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie als Ganzes. Insbesondere Frauen seien oft betroffen – nicht wenige würden sich aufgrund solcher Erfahrungen gegen ein Engagement entscheiden.

Auch Christof Kleiner, Leiter des Referats Strafverfahrensrecht im Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, sieht die Bekämpfung von Hass und Hetze als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Selbst Vertreter der Strafverfolgung, sieht er das Strafrecht „nur als ultima ratio“. Viel wichtiger sei die Prävention von Straftaten, zu denen auch Beleidigungen, Volksverhetzung etc. im Internet zählen. „Die effektive Strafverfolgung brauchen wir, um „für den Einzelnen und die Gesellschaft ein Stopzeichen zu setzen.“ Er appelliert daher an alle: „Erstatten Sie Anzeige – es lohnt sich!“.

Dem stimmt Sandra Zarges, Leiterin des Referats 32 – Kriminalitätsbekämpfung, Prävention, Kriminologie sowie europäische und internationale Angelegenheiten im Innenministerium Baden-Württemberg, voll zu und ermutigt ebenfalls zur Anzeige. „In mehr als der Hälfte der Fälle von Hasskriminalität werden die Täter ermittelt.“ Es sei wichtig, das Thema Hate Speech immer wieder in die Öffentlichkeit zubringen. „Wir dürfen als Gesellschaft nicht tolerieren, dass Angst und Verunsicherung Menschen von einem politischen Engagement abbringen.“

Keynote: „Hetze im Netz – Gefahr für die Demokratie“

Codes, Scheinriesen und Cheap Fakes: In einer kurzweiligen Keynote stellt Karolin Schwarz, freie Autorin, Journalistin, Beraterin und Expertin für die Themen Desinformation, Rechtsextremismus im Netz und Rechtsterrorismus, Strategien von Rechtsextremen, deren Folgen und Handlungsoptionen für alle vor. Dabei wird klar, dass rechte Extremisten sehr gut organisiert sind und ihre Meinungsmacht im Internet das Ergebnis strategischer Manipulation, Opferinszenierung, Einschüchterung und Bedrohung ist. Insbesondere im Superwahljahr 2024 sei das ein großes Problem für die Gesellschaft. Kritik übt Karolin Schwarz aber auch an den demokratischen Parteien: „Die demokratischen Parteien müssen mit politischen Inhalten auf TikTok und Co. vertreten sein – nicht nur auf rechts reagieren!“ Was also tun? „Hass melden, Informieren, solidarisch sein, eingreifen, digitale Selbstverteidigung lernen“, zählt Karolin Schwarz auf. „Das können wir alle beitragen, um für weniger Hass im Netz zu sorgen.“

„Mit Jugendlichen im Gespräch bleiben und ihre Themen und Plattformen kennen“

In der Podiumsdiskussion mit Chan-jo Jun, Rechtsanwalt für IT-Recht, Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, Fluky, Diversity Trainer:in und Referent:in für politische Bildung sowie Karolin Schwarz standen Jugendliche und Jugendschutz im Mittelpunkt. „Alle Jugendlichen haben bereits digitale Gewalt gegen sich oder andere erlebt“, schildert Fluky die aktuelle Situation in Workshops an Schulen. In der Folge würden sich gerade marginalisierte Gruppen zurückziehen. „Eine Anzeige zu machen, ist für Jugendliche sehr hochschwellig – aber sie melden.“ Thorsten Schmiege ergänzt: „Gerade bei Jugendlichen ist die Vermittlung von Medienkompetenz essenziell. Dazu gehört auch das Wissen, was es für Handlungsmöglichkeiten gegen Hate Speech gibt.“ Chan-jo Jun sieht beim Thema digitale Gewalt sowohl ein Umsetzungsproblem als auch eine unzureichende Gesetzgebung. Wichtig sei zusätzlich, Kindern und Jugendlichen mehr zuzuhören. „Nur besser kommunizieren reicht nicht! Das würde ja implizieren, dass wir die beste Lösung gegen Hass im Netz schon haben. Wir müssen Jugendlichen mehr zuhören und ihre digitalen Lebenswelten kennen“.

Vielfältiger „Markt der Möglichkeiten“

14 Organisationen waren beim „Markt der Möglichkeiten“ vertreten und stellten sich und ihren Beitrag gegen Hate Speech vor. Die gegenseitige Vernetzung stand hier im Vordergrund. „Wenn wir die anderen Aktiven aus diesem Bereich kennen, können wir bessere Verweisberatung machen und es fällt leichter, bei einer Frage einfach mal anzurufen“, beschreibt die „Partnerschaft für Demokratie“ der Stadt Ulm ihre Motivation zur Teilnahme. Besonders wichtig ist das für ganz frisch gegründete Organisationen wie „Stark im Amt“, die sich gegen Gewalt gegen Engagierte in der Kommunalpolitik einsetzen, oder den Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg.

„Hass im Internet scheint zu überwiegen, wie auch die Studie Lauter Hass, stiller Rückzug zeigt“, beschreibt das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg die Situation. „Das ist aber ein Trugschluss und Counter Speech kann viel bewegen.“ So bleibt von dem Fachtag einerseits ein erschreckender Einblick in den Umfang von Hassrede und die durchdachten Strategien von Rechtsextremisten. Gleichzeitig machen die Anwesenheit und die erfolgreiche Arbeit von so vielen unterschiedlichen Organisationen und Menschen Mut, sich ebenfalls gegen Hass im Netz einzusetzen.

www.meldestelle-respect.de

 

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